Die Wasserrute – oft nicht erkannt und äußerst schmerzhaft.
Jetzt ist, bzw. kommt wieder die hohe Zeit unserer Retriever, jetzt können sie ihre wahren Stärken und ihre Passion ausleben – die Arbeit / das Spiel in und am Wasser.
Leider ist auch ausreichendes Konditionstraining und Abhärtung des Hundes keine Gewähr für die Vermeidung einer Wasserrute. Die meisten Hunde verausgaben sich übereifrig in besonderen jagdlichen oder prüfungsbedingten Situationen. Wir Hundeführer stehen oft daneben und ergötzen uns manchmal stolz an der passionierten Arbeit unserer Retriever.
Die Wasserrute, ein fast lustig wirkender Name –eine jedoch sehr schmerzhafte Erkrankung unserer Retriever. Leider ist diese Krankheit noch relativ unbekannt und unerforscht. Aus diesem Grunde wird auch nicht selten von den Tierärzten eine unzutreffende Diagnose gestellt. Leider muss man sagen, denn die Hunde leiden über mehrere Tage unter starken Schmerzen. Zum Glück verläuft dann, nach dem Befund, die Heilung meist rasch und mit gutem Ausgang.
Ganz abgesehen von der körperlichen Beeinträchtigung leiden die Tiere auch offensichtlich unter ihrer eingeschränkten Ausdrucksmöglichkeit. Jedes „Lächeln“ tut weh, was den traurigen Eindruck zusätzlich verstärkt.
Dieser, vielen Labrador- aber auch Golden Retrieverbesitzern bekannte schmerzhafte Zustand der „Wasserrute“, der im ‚“ angloamerikanischen Sprachgebrauch auch als “ cold water tail „, “ limber tail syndrome „, “ broken tail „ oder “ dead tail “ geläufig ist, ist eine relativ häufig auftretende Erscheinung bei Sport- und Jagdhunden verschiedener Rassen.
Wie sehen die Symptome aus?
Die auftretenden Symptome sind unterschiedlich. Der Rutenansatz schmerzt und die Schwanzbasis wird gerade vom Körper weggestreckt, der Rest des Schwanzes dagegen hängt schlaff herunter. Bei manchen Hunden ist das Fell um den Schwanzansatz gesträubt.
Viele betroffene Hunde sind verunsichert und trauen sich nicht richtig, Urin und Kot abzusetzen. Der Hund ist unfähig, sich normal hinzusetzen. Meist nimmt er den so genannten Welpensitz ein, das heißt, er kippt zum Hinsitzen seitlich das Becken, um dem Schmerz auszuweichen. Treppensteigen und der Satz ins Auto werden zum unüberwindbaren Hindernis und der Hund scheint die Kontrolle über die Rute völlig verloren zu haben. Da die Rute aber, speziell bei unseren Retriever, ein unverzichtbares Kommunikationsmittel ist, kann es sogar vorkommen, je nach Schweregrad des Schmerzes, dass sie vorübergehend sozial unverträglich sind und zum Teil aggressiv reagieren.
Die Ursachen sind nicht vollständig erforscht
Betroffen sind meist Hunde, mit denen intensiv gearbeitet wird. Wobei weniger von einer typischen Rassedisposition gesprochen werden kann, als von einer individuellen Veranlagung zu vermehrter Rutentätigkeit während der Arbeit oder auch bei ausgelassenem Spiel.
Es besteht scheinbar ein Zusammenhang zwischen der Länge und dem Gewicht der Rute, der temperamentvollen „tail action„ und der Art des Einsatzes des Hundes.
Im Durchschnitt sind die Hunde zwischen einem halben und neun Jahren alt, am häufigsten betroffen sind aber Hunde im Alter von zwei Jahren. Rüden trifft es häufiger als Hündinnen. Das Auftreten der Wasserruten-Symptomatik steht in den allermeisten Fällen im Zusammenhang mit harten Belastungen, anstrengenden Jagden oder vorangegangenem Schwimmen in sehr kaltem oder aber auch sehr warmem Wasser. Auch der allgemeine Trainingszustand des Hundes scheint eine bedeutende Rolle zu spielen: Je untrainierter die Hunde sind, desto häufiger sind sie betroffen. In einzelnen Fällen wurde sogar als Ursache langes Verweilen in einer Transportbox angegeben sowie auch ganz einfach ein nasses Fell bei nasskaltem Wetter. Zurzeit wird von verschiedenen Seiten diskutiert, ob der Ansatzpunkt der Rute (zu hoch angesetzte Rute) und die Aktivität der Rute (Wedelintensität und -ausprägung) nicht doch einen großen Anteil zum Problem beitragen.
Was geschieht am Rutenansatz genau?
Hierrüber gibt es aus medizinischer Sicht verschiedene Theorien. Am schlüssigsten erscheinen mir,
a) die Muskulatur an der Rute wird vorübergehend zu schlecht durchblutet, b) es besteht ein Muskelschaden an den Muskeln, welche für die Rute zuständig sind
Vermutlich beinhaltet das Krankheitsgeschehen beide Punkte. Erste Studien [J. C. Wright, K. Bra und, J.Steiss und Team W. Eward, Dr. Gillette(2003)] deuten in diese Richtung. Bei den betroffenen Hunden ist ein Muskelenzym (die Creatinkinase) im Blut messbar erhöht, was auf einen Muskelschaden hindeutet. Sobald die Symptome verschwinden – in der Regel nach etwa zwei Wochen –, sind auch diese Enzyme wieder im Normbereich.
Behandlungsmöglichkeiten
Die Wasserrute ist eine noch recht unbekannte Erkrankung und wird als solche meist nicht erkannt, was jedoch, wären die Schmerzen für den „Patienten“ nicht, gar nicht so dramatisch wäre, denn sie verschwindet wieder ganz von selbst. Manchmal werden aber auch Fehldiagnosen gestellt, wie zum Beispiel Schwanzwirbelbrüche oder -einrisse, Analdrüsenverstopfung und Prostataleiden und dann wird es kritisch.
Leider erkranken vorbelastete Hunde häufig wiederholt Nicht zuletzt aus diesem Grund wäre es wichtig festzustellen, woher das Problem kommt, um dem Hund einen Rückfall zu ersparen. Therapeutisch gibt es auch nur wenig wissenschaftlich fundierte Ansätze. Aufgrund der zum Teil dramatischen Symptomatik steht die Schmerzbekämpfung im Vordergrund.
Es bieten sich die gängigen schmerz- und entzündungshemmenden Pharmaka an. Die starken Schmerzen rechtfertigen in extremen Fällen sogar den Einsatz von Opioiden durch den Tierarzt.
Auch in der biologischen Tiermedizin bieten sich die schmerzstillenden Präparate an: z.B. – Arnica, Rhus toxicodendron usw. oder das Kombinationspräparat Traumeel.
Leider ist deren Wirkung nicht prompt genug um dem Patienten schnell Linderung zu verschaffen, bewähren sich aber im Dauereinsatz, zur Vorbeuge und in der Regenerationsphase.
Zur Behandlung und Therapie bieten sich folgende Möglichkeiten an:
- Entzündungshemmer verabreichen, welche die Entzündung und damit den Schmerz bekämpfen (NSAID = nicht cortisonhaltige Entzündungshemmer)
- warme Packungen an der Schwanzbasis, Rotlichtlampe
- Ruhe / Schonung !!!
- physikalische Medizin (z. B. Laser), welche den Muskeln bei der Regeneration hilft
- Physiotherapie
- als Alternative Komplementärmedizin (z. B. Bellis perennis C 30, 1 x 3 Globuli)
Vorbeugende Maßnahmen
In beinahe allen Fällen erholt sich die Rute komplett. In ein paar wenigen Fällen (bis zu16 % [Dr. Eward, 2003]) bleibt eine abnorme Schwanzhaltung bestehen, was das Ende der Laufbahn als Ausstellungshund bedeuten kann. Was bleibt nun, um der Entstehung einer Wasserrute entgegenzuwirken?
- Seien Sie sich sicher, dass Ihr Hund vor der Jagd- und Fieldtrialsaison sorgfältig und genügend trainiert wird. Bringen Sie ihn schrittweise in Form, ohne ihn zu überbeanspruchen oder zu stressen. Auch das Schwimmen muss trainiert werden.
- Denken Sie für Ihren Hund mit. Kennt er seine eigenen Grenzen nicht oder überschreitet er diese gerne, so ist es Ihre Aufgabe, ihm genug Erholungspausen zu bieten.
- Sperren Sie Ihren Hund nicht in eine zu kleine Hundebox. Er muss die Möglichkeit haben, sich gut darin zu bewegen. Sind Sie auf Reisen, so bieten Sie Ihrem Hund etwa alle zwei Stunden freie Bewegung außerhalb seiner Transportbox, damit er seine Beine vertreten kann.
- Bei jedem Wetter, aber insbesondere bei kalter, feuchter Witterung: Trocknen Sie Ihren Hund gründlich und ausreichend; bieten Sie ihm einen warmen Platz an, mindestens solange sein Fell noch etwas feucht ist.
Quellen:
Julia Enz (julia.enz@gmx.de)
Claudia Peska, Wien
www.hundemagazin.ch